Offener Brief des ADFC Göppingen: Überbauung ehemaliger Bahntrassen
Überbauung ehemaliger Bahntrassen im Lkr. Göppingen und auf der ehemaligen Hohenstaufenbahn in Birenbach
In Birenbach soll ein Teil der ehemaligen Bahntrasse der Hohenstaufenbahn durch einen neuen Netto-Markt überbaut werden. Die mittel- und langfristigen Chancen, die sich durch ein Freihalten der Trassen für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) in der Region ergeben, werden bei Seite geschoben. Dabei braucht die Region Stuttgart dringend Mobilitätslösungen jenseits des motorisierten Individualverkehrs – das zeigen die Staus im Pendlerverkehr, die Feinstaubwerte aber auch die rasante Verstädterung und der maßlose Flächenverbrauch allerorten.
In Donzdorf wurden bereits vor einigen Jahren Flächen der früheren Lautertalbahn im Bereich eines Gewerbegebietes ohne Not und entgegen den Bestimmungen des Regionalplans an angrenzende Betriebe verkauft. Und auch die Trasse der Voralbbahn zwischen Göppingen und Bad Boll ist immer wieder im Focus des Flächenhungers von Gewerbe und Anliegern.
Entwicklungen, die allesamt nur den kurzfristigen Erfolg und das schnelle Geld im Blick haben. Maßnahmen wie die geplante Netto-Erweiterung in Birenbach sind ein Signal an Unternehmen, Privatpersonen und Gemeinden, sich weitere Stücke aus diesen Bahntrassen zu reißen. Nach dem Motto: die Durchgängigkeit der Trasse ist sowieso nicht mehr gewährleistet.
Im Landkreis Göppingen hat man deshalb zurecht die ehemaligen Bahnstrecken Tälesbahn, Lautertalbahn und Hohenstaufenbahn durch den Bau eines Bahntrassen-Radweges vor einer Überbauung geschützt.
Dem ADFC geht es nicht darum, dass zukünftig wie im Falle von Birenbach ein kleiner Umweg für Radler nötig wird. Damit könnten die Radler/innen in diesem Fall leben. Er sieht sich aber auch als Partner von Initiativen wie "Ein neuer Zug im Kreis", die eine zukunftsfähige Mobilität im Sinn haben.
Der ADFC Göppingen akzeptiert, dass Radwege auf Bahntrassen im Land-kreis Göppingen im Fall der Fälle auch wieder zugunsten einer Bahnlinie weichen müssen (ein vernünftiger Ersatzradweg ist leichter zu finden als eine neue Bahntrasse) - wenn sich die politischen Entscheider tatsächlich zur Reaktivierung einer stillgelegten Nebenbahn durchringen könnten. Denn nur mit einem starken SPNV in Kombination mit Rad- und Fußverkehr können auf längeren Distanzen die Menschen zum Umstieg vom Auto auf zeitgemäßere Verkehrsmittel bewegt werden.
Der ADFC Göppingen fordert deshalb und stellt fest:
- Eine Aufgabe des Regionalverbandes ist es, bei der Flächennutzung lokale Egoismen auf kommunaler Ebene einzugrenzen und den Blick auf das große Ganze zu wahren. Das gilt auch für die Sicherung der Durchgängigkeit ehemaliger Bahntrassen für die Zukunft. Der ADFC Göppingen fordert daher den Regionalverband Stuttgart und das Regierungspräsidium Stuttgart dazu auf, seine Rolle bei der Sicherstellung der Flächen von ehemaligen Bahntrassen für zukünftige Generationen ernst zu nehmen und Zielabweichungsverfahren zum Zweck der Überbauung dieser Trassen, z.B. in Birenbach nicht zu genehmigen.
- Bahntrassen-Radwege stellen ein geeignetes Mittel zur mittel- bis langfristigen Sicherung der Durchgängigkeit dieser Trassen für die zukünftige Nutzung durch den Schienenverkehr dar.
- Das Gebäude des neuen Netto-Marktes in Birenbach kann innerhalb des neuen Standortes unter Wahrung der Pkw-Parkplätze anders positioniert werden. Die Fläche dazu ist groß genug. Das Unternehmen Netto Marken-Discount sagt auf der eigenen Internetseite: "… Die Balance zwischen wirtschaftlicher Rentabilität sowie der Über-nahme von Verantwortung gegenüber Gesellschaft und Umwelt stehen dabei stets im Mittelpunkt unseres unternehmerischen Handelns". Für die Betreiber gilt also: wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.
- Auch das Landratsamt Göppingen soll mit seinen Möglichkeiten sicherstellen, dass die Durchlässigkeit ehemaliger Bahntrassen im Landkreis vollständig erhalten bleibt. So könnte der Landkreis auch nach dem Verlust von Fernverkehrsverbindungen im Zuge von Stuttgart 21 mit einem modernen Schienenpersonenverkehr überzeugen - wie z.B. durch ein Stadtbahnnetz im Landkreis Göppingen.
Die Gemeinde Birenbach sollte die aktuellen Planungen überdenken und für das Gebäude keine Trassenflächen opfern. Der ADFC begrüßt grundsätzlich Investitionen in die Nahversorgung - zumal man dort auch zu Fuß oder per Rad hinkommen kann. Aber gerade deshalb stellt sich die Frage, ob es nicht auch mit ein paar Parkplätzen weniger geht. Wie soll die viel beschworene Wende zu einem Verkehrsmittel-Mix funktionieren, wenn selbst in einem Ort mit 1.900 Einwohnern 54 Kfz-Stellplätze für einen Lebensmittelmarkt nötig sind.
Eine funktionierende Nahversorgung ist auch ohne die geringen Flächen der Bahntrasse möglich, ein zukünftiger Zugbetrieb hingegen nicht.
Das Originalschreiben zum Offenen Brief ist über den nebensehenden blauen Medienkasten abrufbar