Fahrradklima-Test: Viel Luft nach oben im Kreis Göppingen

Der Radverkehr ist in aller Munde, aber auf den Straßen im Kreis Göppingen tut sich noch zu wenig: Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) hat die Ergebnisse des jüngsten Fahrrad-Klimatests präsentiert.

Der Radverkehr ist in aller Munde, aber auf den Straßen im Kreis Göppingen tut sich noch zu wenig: Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) hat die Ergebnisse des jüngsten Fahrrad-Klimatests präsentiert. Sieben Kommunen aus dem Landkreis sind im bundesweiten Ranking vertreten. Wie schon bei der letzten Umfrage von 2018 schneiden Bad Boll und Eislingen in Kreisvergleich am besten ab. Schlusslicht im Landkreis und auch in Baden-Württemberg ist Donzdorf.

Der ADFC Fahrradklima-Test ist eine der größten Befragungen zum Radfahrklima weltweit und findet alle zwei Jahre statt. Die Umfrage wird vom Bundesverkehrsministerium gefördert. Sie fand im Herbst 2020 zum neunten Mal statt.

Gefragt wurde beispielsweise, ob das Radfahren Spaß oder Stress bedeutet, ob man sich als Verkehrsteilnehmer ernst genommen fühlt und ob sich das Radfahren auf für Familien mit Kindern sicher anfühlt. Weitere Aspekte waren die Förderung des Radverkehrs in jüngster Zeit und viele Aspekte zur Infrastruktur. Vergleichbar mit dem Schulnotensystem konnten insgesamt 27 Fragen auf einer sechsstufigen Skala mit Noten von 1 bis 6 bewertet werden

Im Kreis Göppingen erreichten sieben Städte und Gemeinden die erforderliche Mindestzahl an Bewertungen, um ins bundesweite Ranking aufgenommen zu werden. Es sind dieselben Kommunen wie auch schon zwei Jahre zuvor. Auch die Rangfolge der Kommunen ist unverändert: Am besten schneiden Bad Boll und Eislingen ab, die Rote Laterne geht wieder an Donzdorf.

Die Bewertungen änderten sich im Vergleich zu 2018 nur wenig, zeigen aber durchweg einen leicht negativen Trend: Alle 7 Kommunen verschlechterten sich zwischen 0,1 bis 0,3 Notenpunkten. Das Ergebnis zeigt aus Sicht des ADFC, dass sich immer mehr Menschen mit dem Thema Radfahren und einer entsprechenden, sicheren Radinfrastruktur auseinandersetzen.

Licht und Schatten im Landkreis:
Gesamtnoten und ausgewählte Kriterien im Überblick

Bad Boll - Note 3,3 (2018: 3,2)
In der Voralb-Gemeinde wurde unter anderem die Erreichbarkeit der Ortsmitte (2,0) gut bewertet. Auch zu anderen Zielen kommt man nach Ansicht der Nutzer zügig voran (2,2). Nachholbedarf gibt es hingegen beim Angebot an Mietfahrrädern (4,7) und bei der Fahrradmitnahme im ÖPNV (4,6).

Bundesweite Platzierung (Kategorie bis 20.000 Einwohner):
Platz 43 von 418

Eislingen - Note 3,5 (2018: 3,3)
Positiv bewertet wurden insbesondere die allgemeinen Maßnahmen für die Fahrrad-Infrastruktur (2,9). Verbesserungspotential besteht beim Komfort der Routen (3,9) und insbesondere auch bei den Breiten der Wege (4,4). Das Sicherheitsgefühl wird nur mit der mäßigen Note 3,8 beurteilt.

Bundesweite Platzierung (Kategorie 20.000 bis 50.000 Einwohner):
Platz 63 von 415

Süßen und Ebersbach – 3,7 (2018: Süßen 3,5 / Ebersbach 3,6)
Die beiden Kommunen aus dem mittleren und unteren Filstal werden von Radfahrenden fast identisch bewertet. Im bundesweiten Vergleich liegen Sie in der Kategorie bis 20.000 Einwohner auf den Plätzen 151 und 152 (Süßen: Gesamtnote 3,70 / Ebersbach: Gesamtnote 3,71).

Auch bei den 27 Einzelkriterien werden viele Aspekte fast identisch bewertet, beispielsweise das Sicherheitsgefühl (Süßen: 4,0 / Ebersbach: 3,9). Größere Unterschiede gibt es vor allem in zwei Kategorien: In Süßen wird das Fahrrad in besonders hohem Maß von allen Gesellschafts- und Altersgruppen genutzt (Süßen: 2,5 – Ebersbach: 3,5). Anders sieht es bei der Fahrradförderung in jüngster Zeit aus: Hier schneidet Ebersbach mit 3,7 besser ab als Süßen, das mit der schwachen Note 4,3 bewertet wird. Dies erklärt auch die leichte Abwärtstendenz dem Süßener Gesamtergebnis: Es fiel von 3,5 im Jahr 2018 auf 3,7 bei der jüngsten Befragung.

Bundesweite Platzierungen (Kategorie bis 20.000 Einwohner):
Süßen Platz 151 von 418 / Ebersbach Platz 152 von 418

Geislingen - Note 3,9 (2018: 3,7)
Die Fünftälerstadt befindet sich unterhalb des landesdurchschnitts. Schlecht bewertet werden unter anderem die häufige Führung des Radverkehrs im Mischverkehr mit Kfz. Auch fehlende Abstellanlagen (4,6) und schlecht abgestimmte Ampelschaltungen (4,8) werden kritisiert. Die Erreichbarkeit des Stadtzentrums wird dennoch mit 3,3 vergleichsweise moderat bewertet.

Bundesweite Platzierung (Kategorie 20.000 bis 50.000 Einwohner):
Platz 223 von 415

Göppingen - Note 4,0 (2018: 3,8)
Göppingen setzt einen Abwärtstrend fort: Innerhalb von 4 Jahren hat sich die Bewertung von um einen halben Prozentpunkt verschlechtert (2016: 3,5 / 2018: 3,8).
Die Radfahrenden nehmen zwar zur Kenntnis, dass die Stadt Infrastrukturmaßnahmen für den Radverkehr umsetzt: Dieser Aspekt wird mit 3,1 bewertet. Mit der Qualität der Maßnahmen sind die Nutzer aber offenbar nicht zufrieden: Die unzureichende Breite der Radwege und Radschutzstreifen wird weiterhin negativ beurteilt (4,9) und auch der Stellenwert des Radverkehrs (4,4) wird als gering eingestuft.

Bundesweite Platzierung (Kategorie 50.000 bis 100.000 Einwohner):
Platz 51 von 110

Donzdorf - Note 4,7 (2018: 4,4)
Donzdorf trägt wieder die rote Laterne im Landkreis und rangiert jetzt auch in Baden-Württemberg an letzter Stelle. Bemängelt werden unter anderem Hindernisse auf Radwegen (5,6), aber auch die Fahrradförderung in jüngster Zeit (5,5).

Beim Fahrraddiebstahl scheint die Welt im Lautertal noch einigermaßen in Ordnung zu sein, hier kommt die Stadt auf die Note 3,8. Positiv beurteilt wird auch die generationenübergreifende Nutzung des Fahrrads: In Donzdorf fahren Jung und Alt Fahrrad (3,7).

Bundesweite Platzierung (Kategorie bis 20.000 Einwohner):
Platz 415 von 418

Kommunen im Kreis Göppingen spiegeln den Landesdurchschnitt wieder

Rechnet man die Ergebnisse der sieben Kommunen zusammen, dann erhält man für den Landkreis dieselbe Gesamtnote, die auch für ganz Baden-Württemberg ermittelt wurde: Beide Durchschnittsnoten liegen bei ernüchternden 3,8.

Die Note Ausreichend ist aber angesichts der angestrebten innerstädtischen Mobilitätswende nicht genug. Laut den Zahlen des Bundesverkehrsministeriums sind 50% aller Autofahrten kürzer als 5 km und 25% sogar kürzer als 2 km. Immer noch fühlen sich Radfahrende durch die schlechte innerörtliche Infrastruktur unsicher und benutzen im Zweifelsfall auch auf Kurzstrecken lieber das Auto.

Die Freizeitradrouten sind im Kreis Göppingen schon relativ gut ausgebaut und sie werden auch gut genutzt. Das kann man insbesondere an Wochenenden feststellen, zunehmend aber auch an den anderen Wochentagen. Denn dank des Trends zum Pedelec / E-Bike steigen auch immer mehr Senioren aufs Rad und genießen Ihr Rentnerdasein auf den Radrouten des Stauferkreises.

Völlig anders sieht es aber beim Alltagsradverkehr aus. Die innerörtliche Infrastruktur ist immer noch sehr lückenhaft, und teilweise überhaupt noch nicht vorhanden.
Mit dem geplanten Bau des Radschnellwegs von Ebersbach bis Süßen hat der Landkreis einen ersten, wichtigen Schritt getan, um auch den Alltagsradverkehr zu fördern. Der Weiterbau von Süßen bis Geislingen darf aber nicht aus den Augen verloren werden.

Am allerwichtigsten ist jetzt aber, dass die Kommunen den ausgestreckten Arm ergreifen, den Ihnen Bund und Land mit hohen Fördermitteln entgegen reichen. Denn mit einem Radschnellweg allein wird man die Menschen nicht scharenweise aufs Fahrrad bringen. Wichtig sind innerörtliche Radverbindungen, die sicher und direkt von A nach B führen – und die natürlich auch mit dem Radschnellweg und anderen überörtlichen Radwegen verknüpft werden.

Um die Menschen auf kurzen Strecken zum Umstieg vom Auto aufs Fahrrad zu motivieren brauchen wir innerhalb der Städte und Gemeinden ein durchgängiges Netz an guten Radwegen. Für den Ausbau hat der Bund hat mit dem Sonderprogramm Stadt und Land ausreichend Fördermittel zur Verfügung gestellt. Mit den kürzlich aufgestockten Mitteln aus dem baden-württembergischen Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (LGVFG) kann damit ein Fördersatz von 90 Prozent erreicht werden.
Das Ziel muss sein, eine komfortable und sichere Infrastruktur zu schaffen und nicht an den Mindestmaßnahmen und -standards entlang zu hangeln. Sonst wird man dem aktuellen Trend und der zukünftigen Anzahl Radfahrender nicht gerecht.

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