Sprecht nicht vom Radschnellweg
Ein dringender Appell an Verkehrsplaner, Fahrrad-Lobby und Medien
Die Verwendung des Begriffs Radschnellweg verhindert den Bau von direkten und sicheren Radverbindungen. Das klingt zunächst vielleicht widersprüchlich und banal. Aber vieles im Leben scheitert tatsächlich an Banalitäten.
„Niemand will die Radlautobahn“: Die Überschrift in der Süddeutschen Zeitung (SZ) ist symptomatisch für ein Phänomen, das nicht auf Bayern begrenzt ist: Der Bau so genannter Radschnellwege stößt allerorten auf Widerstand. Die SZ erklärt auch den Grund für die Ablehnung: Die Menschen möchten nicht, dass Radler durch die Ortschaften „durchbrettern“.
Wie kann das sein? Menschen fürchten sie sich vor Fahrrädern, die mit 20 km/h durch die Stadt fahren. Tonnenschwere Kfz mit 50 km/h werden in der Ortsmitte hingegen akzeptiert. Gilt ausnahmsweise Tempo 30, spricht man sogar von Verkehrsberuhigung.
Der Grund liegt in einem Missverständnis. Verkehrsplaner und Fahrrad-Lobbyisten leben, wie alle Fachleute, in einer Blase. Ihnen ist nicht bewusst, was sie mit einem einzigen falschen Wort auslösen können. Bei der Bevölkerung, und auch bei Kommunalpolitikern.
Ein Radschnellweg, das ist für die Fachleute eine Direktverbindung ohne Umwege, ohne Ampeln und möglichst kreuzungsfrei. Man kommt schneller von A nach B, dank einer höheren Durchschnittsgeschwindigkeit. Mit der Fahrgeschwindigkeit hat das nichts zu tun.
Im Verständnis von Nicht-Fachleuten (also von ungefähr 99% der Bevölkerung) ist aber auf einem Radschnellweg das drauf, was im Wort drinsteht: Schnelle Fahrräder.
Die Medien gehen oft noch einen Schritt weiter und schreiben von der Fahrradautobahn. Fahrrad – Auto – Bahn. Ein Wortgebilde, das zwar keinen Sinn ergibt, aber trotzdem eine Botschaft vermittelt: Wer nicht bei drei auf dem Baum ist, wird von einem Kampfradler (oder einer Kampfradlerin) plattgewalzt.
Tatsächlich ist ein Radschnellweg aber kein Highway für schnelle Rennradler oder wilde Mountainbiker, sondern eine Alltagsroute für die Fahrt zur Arbeit, zur Schule und zu vielen anderen Alltagsdestinationen. Es geht nicht darum, schnell ans Ziel zu brettern. Sondern darum, auf möglichst direktem Weg dorthin zu kommen. Ohne ständige Umwege und nicht auf Radwegen, die plötzlich im Nichts enden.
Deswegen ist es höchste Zeit, sich vom Begriff des Radschnellwegs zu verabschieden. Ich gehe mit gutem Beispiel voran und spreche ab sofort von der Velo-Direktroute. Jedenfalls so lange, bis mir - oder jemand anderem – ein noch besserer Name einfällt.
Auf die Alltagsradler muss man bei der Namensgebung keine Rücksicht nehmen. Ihretwegen könnte der Weg auch „Karl-Heinz“ heißen. Radfahrenden ist der Name nicht so wichtig. Für sie zählt, dass die Route sicher und direkt ans Ziel führt. Dann - und nur dann - wird der Weg akzeptiert.
Anders ist das bei „Fahrradlaien“, und somit leider auch bei vielen Kommunalpolitikern. Für sie gilt. Der Name sagt alles. Und am Ende eines langen Planungsprozesses steht deshalb eine zerstückelte Kompromissroute mit geringem Nutzen. Abseits der Ziele, die eigentlich angebunden werden sollten.
Damit sich das ändert, muss der Name erstens klarstellen, was die geplante Route NICHT ist: Eine Rennstrecke. Und er muss zweitens vermitteln, was die Route sein MUSS: Ein Weg, der Kinder und Erwachsene jeden Tag direkt und sicher von A nach B führt.
Firmen betreiben einen großen Aufwand für das so genannte Branding, die Namenssuche für ein neues Produkt. Denn der Name ist ausschlaggebend für den Erfolg.
In der Politik wird das leider immer noch völlig unterschätzt. Auch ein Radweg ist ein Produkt.
Gebt dem Radschnellweg deshalb endlich einen Namen, der zu ihm passt. Das ist kein Etikettenschwindel, ganz im Gegenteil: Er hat schon viel zu lange ein falsches Etikett.
Nennt ihn Karl-Heinz oder Velo-Direktroute, oder lasst Euch etwas noch Besseres einfallen.
Aber macht schnell, bevor noch mehr Routenplanungen an einem dummen Missverständnis scheitern. Weil niemand vermeintliche Kampfradler vor seiner Haustür haben will.