Radschnellverbindung Filstal – technisch machbar und wirtschaftlich sinnvoll
Der 28. März 2019 war ein besonderer Tag für den ADFC Göppingen und könnte ein besonderer Tag für die Radfahrenden im Filstal werden. Vor ziemlich genau 3 Jahren veröffentlichte der ADFC einen Offenen Brief an die Städte Göppingen und Eislingen
Das Ziel war der Rückbau der 4-spurigen „Nordverbindung“ zwischen den beiden Städten, um auf dem freiwerdenden Platz eine Radschnellverbindung zu realisieren. Die Idee entwickelte sich weiter und durch die Koordination des Landratsamtes trafen sich alle Filstalgemeinden an einem Tisch, unterstützt und beraten durch Behörden und Interessenverbände (ADFC, VCD).
Den vorläufigen Höhepunkt bildete nun die Bekanntgabe der Ergebnisse aus der Machbarkeitsstudie im Süßener Rathaus und die abschließende öffentliche Willensbekundung (fast) aller Bürgermeister und Oberbürgermeister im Filstal zur Realisierung der Radschnellverbindung.
Dass hierbei alle Städte und Gemeinden (außer Gingen) an einem Strang ziehen ist ein besonderes Verdienst des Landratsamtes und dort vor allem vom zuständigen Radverkehrszuständigen Marco Schwab, der sehr konstruktiv und engagiert zwischen den einzelnen Interessen vermittelte. Eine zurückhaltende Vorfreude der Radfahrenden auf ein wichtiges Leuchtturmprojekt der umweltfreundlichen Mobilität im Landkreis Göppingen kann daher wohl gewagt werden.
Warum gab es aber in dieser positiven Grundstimmung trotzdem den Wermutstropfen Gingen? Vermutlich ist dies das Resultat eines autozentrierten Denkens und eines damit verbundenen Missverständnisses: eine Radschnellverbindung ist keine Radstrecke auf der Maximalgeschwindigkeiten erzielt werden sollen, sondern eine Verbindung, die über qualitativ hochwertige Wege eine möglichst unterbrechungsfreie Fahrt über mittlere Distanzen ermöglicht – und damit eine höhere Durchschnittsgeschwindigkeit. Radfahren ist nach wie vor – mit oder ohne elektrische Unterstützung – eine Fortbewegung aus eigener Muskelkraft. Bei ca. 25 bis 30 km/h ist damit anders als beim Auto normalerweise eine natürliche Grenze gesetzt. Den bis zu 40 km/h schnellen S-Pedelecs (Helm- und Kennzeichenpflicht) ist übrigens die Nutzung von Radwegen in der Regel untersagt. Wenn also eine normale Tempo-30-Straße im Rahmen einer Radschnellverbindung in eine Fahrradstraße umgewidmet wird, dann ändert sich nichts an den gefahrenen Geschwindigkeiten der Radfahrerinnen und Radfahrer!
Die wichtigsten Ergebnisse aus der Machbarkeitsstudie waren:
- Die Qualitätsrichtlinien für Radschnellverbindungen des Landes Baden-Württemberg fordern die Einhaltung des Qualitätsstandards für Radschnellverbindungen auf mindestens 80 % der Gesamtstrecke. Die Studie ermittelte für das Filstal einen Wert von 82,0 % und falls in Göppingen eine noch zu prüfende Alternativroute verwendet werden kann, dann können sogar 83,4 % erreicht werden
- Nach Fertigstellung einer Radschnellverbindung sollen laut oben genannten Qualitätsrichtlinien mindestens 2.000 Radfahrende pro Tag auf dem überwiegenden Teil der Gesamtstrecke unterwegs sein. Zwischen Uhingen und Süßen wurden zwischen 2.000 und 4.000 Radler prognostiziert.
- Die maximalen zulässigen Zeitverluste an Kreuzungen und Einmündungen sind innerorts 30 Sekunden und außerorts 15 Sekunden pro km. Für die Strecke im Filstal wurden ca. 25 Sekunden (innerorts) bzw. 9 Sekunden (außerorts) errechnet.
- Sehr wichtig ist natürlich auch, dass das Kosten-/Nutzenverhältnis passt. Es sollte dabei der Faktor 1 überschritten werden: ein investierter Euro erwirtschaftet einen Nutzen von einem Euro. Die Radschnellweg Fils weißt dabei den Faktor 1,7 auf.
Insgesamt wird durch die Machbarkeitsstudie gezeigt, dass eine Radschnellverbindung zwischen Geislingen und Reichenbach / Fils technisch machbar und wirtschaftlich sinnvoll ist.
Jetzt liegt es an den politischen Gremien der betroffenen Städte und Gemeinden, die einmalige Chance zu nutzen und ihre Orte um einen wichtigen Baustein für eine zukunftsfähige Mobilität zu ergänzen.
Der Startschuss erfolgt wahrscheinlich bereits 2020, wenn das Land Baden-Württemberg damit beginnt, die alte B10 zwischen Süßen und Eislingen zurückzubauen und dabei die ersten 5 km der Radschnellverbindung realisiert.