Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Kreisverband Göppingen

Tatort Radlertreff

Tatort Radlertreff © ADFC Göppingen, Bärbel Vogl

Tatort: Radlertreffen

Ein Göppinger Kurzkrimi, der sich tatsächlich so abgespielt hat

Mittwoch, 5.11.2025, 19:00 Uhr: 

Ein kalter, dunkler Novemberabend in Göppingen. Die Innenstadt ist zu dieser Uhrzeit schon fast menschenleer, im Kaffeehaus Gutmann am Bahnhofsplatz findet das monatliche ADFC-Radlertreffen statt.

Getränke werden serviert, die Speisekarte wird studiert. Frank P. aus B. setzt Laptop und Beamer in Gang. Er zeigt heute einen Kurzfilm von seiner Familienradtour nach Venedig mit dem Quad, einem Tandem für vier Personen.

Plötzlich tönt ein Ruf von Gastwirt Silvio durch den Raum: „Geht mal schnell nach draußen, da macht sich jemand an den Fahrrädern zu schaffen“.

Silvio hat den Telefonhörer in der Hand, am Apparat ist „die Nachbarin“, eine Mitarbeiterin der gegenüber liegenden Firma Team Viewer, die einen Unbekannten beim Hantieren an einer Fahrradkette beobachtet.

„Geht mal schnell nach draußen,
da macht sich jemand an den Fahrrädern zu schaffen“

Draußen angekommen ist alles ruhig. In der Dunkelheit steht anstelle eines Unbekannten eine Frau mit Team Viewer-Logo auf der Jacke. Von ihrem Arbeitsplatz hat sie eine verdächtige Person beim Durchtrennen eines Fahrradschlosses beobachtet. Eine zusätzliche Sicherung des Hinterrads konnte er offenbar nicht knacken, also schulterte er seine Beute und lief davon.

Aus der Gruppe kommt ein Schrei: Jutta P. stellt fest, dass ihr Pedelec fehlt. 

Die Team Viewer-Zeugin konnte den Flüchtenden noch filmen: Auf ihrem Smartphone ist zu sehen, wie ein Mann mit orangefarbener Jacke das Zweirad in Richtung des ehemaligen Zollgebäudes bei den Bahngleisen davonträgt. Kein Zweifel, es handelt sich um Juttas rotes Pedelec der Marke Zwerg & Maier ¹.

Der Diebstahl spielte sich vor einer oder maximal zwei Minuten ab, weit kann der Täter noch nicht sein. Alle Anwesenden rennen los, befragen Passanten und werfen einen Blick in Autos, die aus dunklen Sackgassen des Bahnhofsviertels herausfahren.

Die ADFC-Finanzvorständin B. macht einem DHL-Fahrer trotz Kommunikationsproblemen („ich spreche nicht deutsch, ich liefere Pakete“) verständlich, dass die Weiterfahrt erst nach Kontrolle seines Laderaums möglich ist. Der leicht überraschte Paketbote öffnet die rückseitigen Türen: Kein Fahrrad an Bord, und die wenigen verbleibenden Pakete deuten auf einen baldigen, verdienten Feierabend hin. Der DHL-Mann darf weiterfahren.

„Ich spreche nicht deutsch,
ich liefere Pakete“

20:00 Uhr:

Nach erfolgloser Suche kommt das ADFC-Einsatzkommando wieder im Café Gutmann zusammen. Dort trifft gerade auch die Polizei ein und nimmt den Fall zu Protokoll.

Die Stimmung im Gastraum ist jetzt gedämpft, Mitgefühl mit dem Diebstahlopfer macht sich breit. Aber als Radfahrende ist es Jutta P. gewöhnt, mit Ungerechtigkeiten im Verkehr leben zu müssen und das Beste aus jeder Situation zu machen. Also beschließt sie, auch aus dem ungerechten Diebstahl das Beste zu machen, bestellt ein Bier und hofft, durch das Urlaubsvideo von Frank P. auf andere Gedanken zu kommen.

„Als Radfahrende ist sie es gewöhnt,
mit Ungerechtigkeiten im Verkehr leben zu müssen“

Der Wirt bringt das Bier, die Hausmarke des Café Gutmann: Ein Flötzinger, von der gleichnamigen Rosenheimer Brauerei². Flötzinger? Wer sich mit Krimis aus der Feder von Rita Falk auskennt, wird wohl spätestens jetzt Parallelen zwischen Niederkaltenkirchen und Göppingen ziehen. Die Vorstellung liegt nahe, dass der Eberhofer Franz und sein Freund Rudi Birkenberger durch den Ort ziehen, um den Fall zu lösen. Und zwischendurch treffen sich die beiden zur Lagebesprechung mit dem Metzger Simmerl und dem Ignaz Flötzinger am Stammtisch des Café Gutmann.

Aber die Realität sieht anders aus: Kein Eberhofer, kein Birkenberger und Simmerl, nur Flötzinger. Stattdessen aber unser Frank, und er stellt mit seinem Video jeden Fernsehabend in den Schatten. Vier Familienmitglieder auf nur einem Fahrrad über die Alpen nach Venedig – das klingt nicht nur ungewöhnlich, es sieht auch spektakulär aus und löst nach dem Film eine lange Fragerunde aus: Zu Konstruktion und Technik des Quad, zur Fahrtechnik, und so weiter. 

Tatsächlich hebt sich allem Ärger zum Trotz die Stimmung, aber spätestens auf dem Nachhausweg sind die Gedanken wieder bei dem wohl für immer verschwundenen Pedelec.

23:00 Uhr: 

Vier Stunden nach dem Diebstahl erhält Jutta P. einen Anruf von der Polizei: Das rote Pedelec befindet sich auf dem Revier. 

Ein Anrufer hatte sich mit dem Hinweis gemeldet, dass in einem Hinterhof an einem Fahrrad geflext wird. Als kurz danach die Polizei dort eintraf, rannten die Ganoven davon und das Diebesgut konnte sichergestellt werden.

Die Gepäcktasche fehlt, der Hinterreifen ist platt und das Schloss ist kaputt. Aber sonst ist alles unversehrt und Jutta P. kann zwar spät, aber überglücklich ins Bett gehen.

Dienstag, 11.11.2025:

Trotz Happy End drehen sich Juttas Gedanken immer noch um den Diebstahl. Wo genau könnte sich der besagte Hinterhof befinden, und wie sieht es dort wohl aus? 

Bei strahlendem Sonnenschein macht sie sich auf den Weg und schlendert durch das Bahnhofsviertel. In der Kellereistraße fällt ihr Blick auf die Einfahrt zu einem Hinterhof. Die Neugier ist größer als die Bedenken, also schaut sie rein. Ihre Augen sehen ein Durcheinander, dann einen grünen Mülleimer, und daneben – ihre Fahrradtasche!

Sie flüchtet vor Schreck, überlegt dann und radelt zur Polizei. Vom Revier geht es zurück in die Kellereistraße, ein Streifenwagen voraus und Jutta P. auf dem Rad hinterher. Mit dem Kopf zwischen den Schultern folgt sie den Beamten auf den Hinterhof. 

Der Polizist fotografiert den Tatort und überreicht ihr dann die blitzsaubere Tasche samt Inhalt in Form von Warnweste, Stirnband und Handschuhen. Jutta P. ist schon wieder überglücklich, will den Ort aber zukünftig trotzdem meiden.

Fazit: 

ADFC-Radlertreffen sind spannender, als die Polizei erlaubt.

¹ zur Vermeidung von Produktwerbung wurde der Herstellername geringfügig verändert
² in diesem Fall wurde auf eine Namensänderung verzichtet: Lieferant des Café Gutmann ist tatsächlich die Brauerei Flötzinger

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