Überholabstand zu Fahrrädern: ADFC zieht ernüchternde Bilanz
Der gesetzliche Überholabstand zu Fahrrädern wird mehrheitlich missachtet: Eine Messung des ADFC hat gezeigt, dass sich 58% aller Autofahrenden im Kreis Göppingen nicht an die Vorschriften hielten. Es wurden insgesamt 3.800 Überholvorgänge erfasst
Im April und Mai 2023 hat der ADFC die Fahrräder von Testpersonen mit Abstandsmessgeräten ausgestattet. Die so genannten OpenBikeSensoren können Überholabstände zentimetergenau messen und auch die dazugehörigen Standorte anhand von GPS-Daten lokalisieren.
Das ernüchternde Ergebnis: Nur 42% der Kfz hielten den gesetzlichen Mindestabstand ein. Dieser beträgt innerorts 1,5 Meter und außerorts 2 Meter. 14% aller Überholvorgänge erfolgten sogar mit weniger als 1 Meter, einige lagen unter 50 cm. Die engste Überholung betrug lebensbedrohliche 14 Zentimeter.
Zur Erinnerung: Im April 2020 wurden die Überholabstände offiziell in die Straßenverkehrsordnung (StVO) aufgenommen. Seither gilt gesetzlich, was vorher schon durch Gerichtsurteile bestätigt wurde: Kraftfahrzeuge müssen beim Überholen von Radfahrenden innerorts mindestens 1,50 Meter und außerorts mindestens 2 Meter Abstand halten.
Ursache für die Missachtung der Vorschrift ist oft die mangelhafte und veraltete Verkehrs-Infrastruktur, die dem zunehmenden Radverkehrs und den modernen Fahrrädern nicht gerecht wird. Die schlechte Infrastruktur verursacht in vielen Situationen menschliches Fehlverhalten. Experten fordern deshalb separate, von der Straße getrennte Radwege. Solange die aber nicht vorhanden sind, muss auf der Straße ein ausreichender Überholabstand eingehalten werden.
Um das Bewusstsein für den Überholabstand zu erhöhen, hatte der ADFC im Sommer 2020 eine Plakat-Aktion ins Leben gerufen, an der sich 29 Städte und Gemeinden im Kreis Göppingen beteiligten. Die Abstandsmessung mit dem Open Bike Sensor hat nun gezeigt, dass immer noch viel Aufklärungsarbeit nötig ist.
Traurige Aktualität hat in diesem Zusammenhang der Unfalltod des Fahrradaktivisten Andreas Mandalka alias #Natenom, der bundesweit Aufmerksamkeit erregte. Am 30. Januar2024 kam Mandalka in der Nähe von Pforzheim durch ein überholendes Auto ums Leben. Er hatte sich leidenschaftlich für mehr Sicherheit im Radverkehr eingesetzt und war auch Mitinitiator der OpenBikeSensor-Messungen, die jetzt auch vom ADFC im Kreis Göppingen durchgeführt wurden.
Auch die Testpersonen des ADFC Göppingen erlebten während ihrer Messfahrten mehr als eine gefährliche Situation: Die engste Überholung betrug 14 cm, sie geschah in Süßen in der Salacher Straße.
Zur Verbesserung der Sicherheit fordert der Fahrradclub die "Vision Zero", die auch vom Verkehrsministerium in Baden-Württemberg ausgerufen wurde. Das langfristige Ziel: Null Verkehrsopfer - Keine Toten und Schwerverletzten im Straßenverkehr.
Der ADFC sagt weiter: "Dazu bedarf es aber entsprechender Investitionen, Prioritätensetzungen und auch des Engagements aller Beteiligten. Sicherheitsrelevante Verstöße wie Falschparken und das Nichteinhalten von Überholabständen oder Tempolimits müssen konsequent geahndet werden.
Wir fordern ein lückenloses innerörtliches Radverkehrsnetz und auch parallel zu Landstraßen, damit Radfahrende sicher von A nach B kommen können. Dort, wo es keine sicheren und gut nutzbaren Radwege gibt, muss die Geschwindigkeit außerorts reduziert werden, um die Verkehrsteilnehmenden weniger zu gefährden. Wir brauchen unverzüglich Sofortmaßnahmen, die direkt wirken, keine Lippenbekenntnisse!“